Dienstag, 18. Januar 2011

Der Lago Atitlán

Das vergangene Wochenende verbrachten wir in einer kleinen Schweizer Villa mit Badesteg am Atitlán-See, auf 1500 Metern Höhe, gesäumt von Vulkanen. Eine Gegend, die von unterschiedlichen Mayavölkern bewohnt wird und in der in der Vergangenheit viel passiert ist. Am Sonnabend besteigen wir, unterschiedlich stark schwitzend und meckernd (Laurenz) die beiden Spitzen des knapp 2000 Meter hohen Cerro de Oro (Goldberg). Auf allen Höhenlagen treffen wir Kaffeepflücker und Brennholzsammler jedweden Alters. Auch an einem riesigen, schwarzrußigen Opferfelsen kommen wir vorbei, den die Mayas am Martinstag besuchen und Hühner und ähnliches opfern. Kurz vor dem Gipfel überholt uns ein 11jähriger, der seinen kleinen Bruder auf dem Arm trägt.

Maximón, der Maya-Heilige, wohnt in einem Privathaus in dem kleinen Ort Santiago Atitlan, der sich vom See aus in die Hügel hoch zieht. Jedes Jahr im Herbst wird entschieden, bei wem er im nächsten Jahr unterkommt. Maximón ist eine mannshohe Sitzpuppe, gekleidet wie ein Spanier und ernährt sich von Zigaretten und Opfergaben. Er sitzt in einer verrauchten Wellblechhütte, links und rechts von ihm sitzen die Wächter, die ihm abwechselnd eine neue Zigarette anzünden und die Asche abstreichen. Vor dem Maximón kniet ein Schamane, der ihn in einer Mayasprache beschwört und dazu Weihrauch schwenkt. Neben dem Schamanen kniet ein älteres Ehepaar, das mit Hilfe des Schamanen von dem Maya-Heiligen Hilfe erbittet: der Mann ist arbeitslos und die beiden sind verschuldet. Auf der Wartebank sitzt ein junges Paar mit einer 7 Monate alten Tochter. „Por supuesto, Dios es el primero“, sagt der junge Familienvater, natürlich ist Gott das oberste für ihn. Doch auch auf die Hilfe des Maximón will er in seiner Angelegenheit nicht verzichten. Das Geld, das wir für den Besuch und die Fotos von diesem eigenartigen Ort bezahlen, wird sogleich, begleitet von anerkenndenen Rufen der anwesenden Männer, dem Maximón geopfert.

Als wir ins Dorf zum nachmittäglichen Gottesdienst zurückkehren, sehen wir den Cerro de Oro erstmalig von der Südseite und taufen ihn sofort in Cerro de Saint-Exupery um. Er sieht einfach haargenau wie ein Elefant aus, der von einer Schlange verschlungen wurde. Fast noch überraschender ist, dass sogar ein Schild darauf hinweist. Aber das Schild ist von der Konrad-Adenauer-Stiftung und wir hören auf, uns zu wundern.
Die katholische Messe ist bis auf den letzten Platz besucht, ungefähr 600 Menschen, alle in Mayatracht. Die linke Seite, auf der die meisten Frauen sitzen, ist von kaum auszuhaltender Farbenpracht. Der junge Priester hält uns eine Predigt über Christus, das Lamm Gottes. Er redet frei und spricht die Leute teilweise auch in ihrer Mayasprache an. Als er sehr lebendig die Tieropfer im jüdischen Tempel schildert, fragen wir uns natürlich, ob er dabei auch an den Maximón oder an die Tieropfer denkt, die von einigen Mayas am Opferstein auf dem Cerro de Oro dargebracht werden.
Die Abendsonne scheint zum Fenster hinein. Draußen spielen ein paar Kinder, der See taucht in rötliches Licht. Wir fahren spät nach Hause. Ophelia klagt über die Kurven und schläft dann ein.