Freitag, 9. November 2012

12 Monate für eine Etage

Unser Kalender für 2013 ist fertig. pdf-Vorschau
Viel Spaß beim Durchblättern. Der Erlös geht an unser Schulprojekt im Armenviertel El Incienso in Guatemala-Stadt: den Bau einer zweiten erdbebensicheren Etage für eine staatliche Schule. Wenn alles gut geht (Primero Dios, wie die Guatemalteken sagen), können ab Februar erstmals Kinder ihre Grundschulzeit hier beenden und müssen nicht ins Nachbarviertel laufen (oder vorzeitig aufhören).
Erst in der letzten Woche haben wir selber erfahren, wie wichtig erdbebensicheres Bauen ist, auch wenn es seit 1976 kein größeres Erdbeben mehr gegeben hatte. Auch in El Incienso, obwohl über 200 km vom Epizentrum entfernt, hat es wieder Schäden gegeben. Gott sei Dank nicht auf unserer Baustelle, wo heute der Beton für die Decke gegossen wurde. Mit dem Kauf dieses Kalenders könnt Ihr uns helfen, den Fehlbetrag von 5000 € auszugleichen, den der Bau von neun zusätzlichen Säulen für Extra-Erdbebensicherheit für uns bedeutet. Diese haben wir auf Anraten eines Erdbebenexperten zusätzlich in unsere Kalkulation einbezogen.
Format: A4 quer, Bestellungen an: pfarrer@laepifania.org
 
Unsere Kontodaten 
Kontoinhaber: Congregacion Luterana La Epifania
Konto-Nr.: 414433
BLZ:  52060410
Bank:   Evangelische Kreditgenossenschaft eG 
Verwendungszw.: x Kalender für y

Mittwoch, 23. Mai 2012

Der Tanz der Geier

















In der Druckerei: "Der Tanz der Geier". 
Eine Müllgeschichte von Mario Alejandro Chavarría González
Vor- und Nachwort Markus Böttcher und Fotos von Katrin Neuhaus

Milton geht jeden Tag mit seiner Kamera auf den Müllplatz. Die Leica ist ein Geschenk von Entwicklungshelfern, die ihm Filme geben und die Fotos für ihn entwickeln. Eines Tages fotografiert er etwas Schreckliches, was ihn auf dem Müllplatz berühmt machen wird. Er deckt damit ein Verbrechen auf, bringt aber gleichzeitig sich und seine Familie in eine gefährliche Situation.

Für alle Menschen ab 12.

















Während unseres Deutschlandsaufenthaltes verkaufen wir dieses Heft für 5 €.

Wofür ist das Geld?
Zusammen mit der Deutschen Botschaft helfen wir einer lokalen Hilfsorganisation, einen Kindergarten in einer illegalen, aber geduldeten Siedlung am Müllplatz von Guatemala-Stadt aufzubauen. Seit einigen Jahren dürfen Kinder nicht mehr auf dem Müllplatz arbeiten. Doch eine Betreuung dieser Kinder, bevor sie ins Schulalter kommen, ist nicht vorgesehen. Die Eltern, die auf dem Müllplatz als Recycler arbeiten, lassen sie tagsüber oft in den provisorischen Wellblechhütten allein.
Die Deutsche Botschaft hat Geld für den Bau eines solchen Kindergartens bereit gestellt.
Mit dem Geld der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde werden Mütter ausgebildet, in diesem Kindergarten zu arbeiten.  
Deutsche Spendenquittungen können ausgegeben werden.

Ev.-Luth. Epiphanias-Gemeinde Guatemala
Ev. Kreditgenossenschaft, BLZ 52060410
Kontonummer: 414433
Verwendungszweck: Kindergarten am Müllplatz

Sonntag, 13. Mai 2012

Lilian und der Müll


Zu Besuch bei der Hilfsorganisation CAFNIMA am zentralen Müllplatz von Guatemala-Stadt

Lilian
Sie hat ihm aufmerksam zugehört, Christian Apontes Assistentin. Manchmal springt sie ein, wenn ihm eine Zahl oder ein Name nicht einfällt. „Seit wann dürfen Kinder nicht mehr mit auf den Müllplatz?“ „Seit ungefähr acht Jahren.“  Manchmal überlässt er ihr auch ganz das Erzählen, wenn es um „ihr Gebiet“ geht. Wir sitzen in einem  kleinen Versammlungsraum bei CAFNIMA, einer guatemaltekischen Hilfsorganisation. Lilian ist Anfang 20, hat gerade ihren Bachillerato[1] gemacht und bereitet sich auf die Aufnahmeprüfungen für die „U“ vor, der staatlichen Universität San Carlos. Im Januar kommenden Jahres wird sie ein Jurastudium beginnen.

Selbstbewusst berichtet sie von den asentamientos, den illegalen Wohnsiedlungen der Arbeiterfamilien des Müllplatzes und das Leben der Familien dort. Sie hat große silberne Ringe in den Ohren, die schönen dunklen Haare streng zu einem Zopf gebunden, die Nägel sind so sorgfältig manikürt, wie man es von den Guatemaltekinnen eben kennt. Man hört ihr gerne zu. Gleich werden wir aufbrechen um mit ihr zusammen die Fotos vom Müllplatz zu machen. Wir nehmen den Weg über den höhergelegenen Friedhof, um einen Blick über die Ausmaße des Basurero zu bekommen. Guatemala-Stadt liegt auf ungefähr 1500 Meter Höhe. Sie wird durchzogen von tiefen, bewaldeten Schluchten. Eine dieser Schluchten wird seit 1956 nach und nach mit dem Müll der Städter gefüllt. Die staatliche Müllhalde, östlich vom Stadtzentrum und durch ihre Lage fast unsichtbar, ist Arbeitsplatz tausender Guajeros[2], Recycler. Menschen, die Müllsäcke öffnen, und deren Inhalte in Plastik- und Glasmüll, Papier und Metalle trennen. Danach verkaufen sie ihn an die am Müllplatz ansässigen Recyclingfirmen für ein Drittel des Marktwertes. Mithinausnehmen dürfen sie ihn nicht.
Beim Entladen der LKWs

Gerade werden zwei neue LKWs entladen. Ungefähr 30 Menschen und 60 Zopilotes [3]stürzen sich auf die herabfallenden schwarzen Säcke. Lilian erklärt uns mit viel Geduld die Mechanismen und Verabredungen, die hier gelten.
„Waren Sie schon mal mit jemandem dort, der da arbeitet?“, frage ich sie. Sie schaut mich an. Ernst, aber vielleicht auch ein kleines bisschen belustigt. „Ich arbeite selber dort. Meine ganze Familie arbeitet auf dem Müllplatz. In CAFNIMA bin ich nur zweimal pro Woche.“ Offenbar dachte sie, wir wüssten das. Jetzt nichts Falsches sagen. „Können Sie ihre Familie von hier aus sehen?“ frage ich schnell und denke gleichzeitig, dass das bei so vielen Tausenden eine idiotische Frage ist. „Ja, da drüben“, antwortet Lilian. „Da ist meine Mutter. Weiße Jacke, weißes Baseballmütze. Daneben meine Schwester.“ Tatsächlich. Ungefähr einen Kilometer von den Müllwagen entfernt, vor einer kargen Felswand sieht man zuerst einen Sonnenschirm, darunter einen Klappsessel mit einer Frau drauf, Lilians Schwester. Um diesen Klappsessel herum läuft ein ganz in Weiß gekleidetes Wesen, ihre Mutter. „Warum sind sie so weit vom Müll entfernt?“  „Sie warten auf den LKW, der sie mitnimmt.“ Da sind sie wieder, diese Verabredungen. Steigen sie auf einen anderen, laufen sie Gefahr, von den anderen Guajeros geschlagen zu werden. Auch wenn die meisten Guajeros der Meinung sind, einem normalen Job nachzugehen, kommen sie bei diesen Arbeitsbedingungen im Monat gerade mal auf das Viertel eines anderen schlechtbezahlten Jobs.
 
Plötzlich stehen wir vor einer schwarzen Rauchsäule. „Methangas, an manchen Stellen wird es gesammelt und an eine Plastikfirma geliefert.“ Wir fragen sie, ob es in ihrer Familie Krankheiten gäbe, die typisch für den Müllplatz wären. Ja, besonders die Mutter, 46 Jahre alt, leidet unter Atembeschwerden und einem Aussatz an der Hand. Lilian zeigt uns an ihrer eigenen, gesunden und hübschen Hand, wo sich der Aussatz ihrer Mutter befindet. Während ihres Studiums wird sie wohl auch noch hier arbeiten. Wenn sie erst einmal Rechtsanwältin ist, will sie, dass ihre Familie sich eine andere Arbeit sucht.  
Ich wage noch eine Frage: „Sie haben doch vorhin erzählt, dass Kinder erst seit acht Jahren nicht mehr auf den Müllplatz dürfen. Sie waren also als Kind auf dem Müllplatz?“ Sie nickt. „Seit meinem neunten Lebensmonat. Meine Mutter hat mich auf den Rücken geschnallt beim Recyceln. Sie konnte nicht länger zuhause bleiben. Irgendwann habe ich selber mitgemacht. Vormittags bin ich kurz in die Schule gegangen.“
Der Friedhof neben dem Müllplatz
Inzwischen sind wir wieder auf dem Rückweg. Wir finden die Straße auf dem Friedhof, wo wir das Auto geparkt haben. Zum ersten Mal scheint Lilian nicht mehr ganz sicher, was sie noch zu dem Thema sagen soll. Ich bemerke: „Man hat ja gesehen, dass Leute auch manchmal warten müssen - auf den richtigen Müllwagen zum Beispiel. Da haben sie ja bestimmt auch auf dem Müllplatz gespielt und Unsinn gemacht, wie andere Kinder.“ „Ja, natürlich“, sagt Lilian, wie aus einem Traum aufwachend. „Wir hatten manchmal auch Zeit zum Spielen. Wie andere Kinder.“


[1] Abschluss der weiterführenden Schule, ähnlich Abitur
[2] Eigentlich von guaje: Menschen, die von Wertlosem leben
[3] Geier

Dienstag, 28. Februar 2012

Deutscher Widerstand


Letzte Woche wurde Wibeke Hesse, die Leiterin unseres Bastelkreises, auf einer Dorfkreuzung  beim Linksabbiegen von einem anderen Auto angefahren. Die Fahrerin des anderen Autos hieß auch Hesse. Allerdings eine Schleehauf de Hesse, keine Bekannte, keine Verwandte. Den Damen ist glücklicherweise nichts passiert.
In unserem Lieblingscafé
Seit einigen Wochen schauen wir uns Häuser an, denn die Gemeinde und der Pfarrer werden wieder zusammenziehen. Schon beim ersten Besuch haben wir mitbekommen, dass es nicht diskret ist, die abfälligen Bemerkungen über das Haus sich gegenseitig  auf Deutsch zuzustecken. Denn die Besitzer, ihre Väter oder Mütter waren Deutsche und jedes Mal war jemand dabei, der verstand, was wir da sagten. Eine Witwe, die Besitzerin des letzten Hauses, das sehr schön war und einen großen Garten mit Blick auf drei Vulkane hatte, hatte kroatisch-portugiesische Vorfahren. Sie sagte: „Mein Mann war Deutscher, aber mein Deutsch ist leider nicht sehr gut.“
Auf der („exzellenten“) deutschen  Auslandsschule lernen 900 Schüler. Die meisten davon leben in deutsch-guatemaltekischen Haushalten, in denen spanisch gesprochen wird. In der Schule werden die meisten Fächer auf deutsch unterrichtet. Eine große Anstrengung ist das, das sprachliche Erbe aufrecht zu erhalten. Trotzdem machen ungefähr 35 Jugendliche alljährlich das deutsche Abitur.
Kindergärten heißen „Hänsel und Gretel“, Augenoptiker „Reizend“, Blumenläden „Blumen“.
Das ist Hans
Neulich startete eine massive Werbeplakatserie in der Innenstadt mit jeweils einem hübschen blonden Menschen in unschuldig-lasziver Pose (die Dame) und in Holzfällerhemd (der Herr). Auf den Plakaten stand „Besuch mich“ oder „Ich warte auf Dich“. Dazu nur jeweils nur eine twitter-Adresse. Noch bevor wir mal auf die Idee kamen, diese Adresse zu öffnen, wurden die Plakate ausgetauscht. Die beiden waren immer noch getrennt, hielten jetzt aber eine Packung in der Hand. Auf dem Plakat stand mit großen Lettern „DEUTSCHER WIDERSTAND“. Dazu noch „Made in Deutschland“ und „Scudo“. Sonst nichts.
Von der Größe und Farbgebung her hätten es Kaffeepadspackungen sein können, aber Sinn machte das nicht. Mini-CD’s mit der Geschichte Deutschlands im 2. Weltkrieg? Schokoplättchen mit dem Gesicht von Stauffenberg?  

Nicht mal eine Homepage-Adresse. Nein, die Person an den Schalthebeln der Werbezentrale wollte, dass wir den twitter-Account besuchen um zu verstehen, was die beiden von uns wollten.
Es sind Kondome. Leistungsfähige, reißfeste Kondome. Man kann das wohl nicht deutlicher sagen als mit den Worten „Made in Deutschland“ und „Deutscher Widerstand“. Es gibt sie in den Sorten:
Anatomisch
Gerillt
Verzögernd
Gerillt-Verzögernd
Spermienabtötend
Sensitiv
Wenn der neue Oberstufen-Geschichtslehrer aus Deutschland kommt, wird er wohl zum ersten Mal in seiner Laufbahn erleben, dass sich die Schüler betroffen ansehen und dann losprusten, wenn er anfängt, vom „Deutschen Widerstand“ zu sprechen. 

P.S. Ich erinnere mich an die Fahrten durch Berlin, mit der 7jährigen Mathilda und der 3jährigen Ophelia im Auto. Viel zu lange rote Ampelphasen vor riesigen Plakaten, auf denen Gurken in hauchdünnen, engen Latexhüllen steckten, mit dem Spruch: „Mach’s mit“. Und die Fragen der Kinder. Das war auch nicht besser.

besuch_heidi
besuch_hans

Sonntag, 12. Februar 2012

Padre Pedros Kinder


Sonntag gegen halb acht wache ich in einem fremden Bett auf. Ein schmales Zimmer, zwei Betten, Licht dringt durch das kleine Fenster über dem Schreibtisch. Ophelia ist schon wach. Von draußen höre ich das Klappern von Geschirr, Kinderstimmen. Wir sind zu Gast bei Peter Mettenleiter in dem Dorf Cabricán, etwa 60 km nördlich von Quetzaltenango. Der Ort, in dem er nicht geboren ist, aber in dem er begraben sein will. Auf dem Weg zu diesem Ort konnten wir den Tajumulco sehen, den mit 4.200 m höchsten Vulkan Zentralamerikas, dahinter ist die mexikanische Grenze. Ist es nicht schön hier? Fragte er gestern. Ja, es ist schön hier. Berge ringsum, Wald, von Schluchten durchzogen, irgendwo weiter unten ein Flüsschen, Ruhe.
Am Abend vorher saß ich noch mit ihm in der Sala am Kamin. An der Wand gewebte und bestickte Stoffe, etwa mit der Aufschrift: „Felicidades Padre Pedro 50 años de sacerdocio“. Das Jubiläum ist auch schon wieder ein paar Jahre her. Weit mehr als die Hälfte seiner 50jährigen Priesterzeit verbrachte er in Guatemala, einige Jahre auch hier in Cabricán. In manche Orte musste er zum Gottesdienst auf dem Pferd reiten. Jetzt gibt es Straßen – und überall Kirchen, wo er gewirkt hat. Er hat sie selbst entworfen.
Peter Mettenleiter beim
ökumenischen Gottesdienst
Er erzählt, wie er nach Cabricán zurückkam, ja, zurückgeholt wurde, nachdem er schon seinen Ruhestand in Deutschland begonnen hatte. Nein, Ruhestand war nichts für ihn, er wurde krank davon. Dann lieber zurück zu den Leuten hier, die ihn brauchen. Hier, nach ein paar Jahren Priesterdienst an einem anderen Ort des guatemaltekischen Hochlands (San Bartolo Aguas Calientes, Totonicapán) war er nun, 2011, zum zweiten Mal in den Ruhestands-Versuch getreten. Und die Leute aus Cabricán waren zu ihm gekommen und hatten gesagt: Wenn Du schon in unserem Dorf begraben sein willst, dann kannst Du auch vorher noch ein wenig bei uns leben. Und sie bauten ihm ein geräumiges Haus, vermutlich das erste Pfarrhaus der Welt, das für einen pensionierten Pfarrer gebaut wurde.
Sonntagsfrühstück mit Graubrot und weichgekochtem Ei. Es riecht behaglich in der Küche. Gekocht wird auf Holzfeuer. Holz gibt es reichlich. Im Gegensatz zu Eierbechern, da muss man sich mit Schnapsgläschen behelfen. Das Brot hat Lesbia gebacken, die junge Haushälterin. Zwei Kinder sitzen mit am Tisch, der zehnjährige Kevin und die fünfjährige Ana Cristina. Sie sagen Papa zu dem Pater, die leiblichen Väter haben sich nie gekümmert, wie bei so vielen guatemaltekischen Kindern. Ophelia wird von Cristina neugierig beobachtet. Ophelia braucht länger, um mit anderen warm zu werden. Die Kinder von Lesbia haben es gestern schon vergeblich versucht. Vielleicht klappt es heute.
Wir laufen zur Kirche und sind spät dran. Das Kirchengebäude ist eine Baustelle, an den Altarraum wird ein Querschiff angesetzt, das vermutlich nochmal so viele Gottesdienstbesucher aufnehmen soll wie vor dem Umbau. An der Kirche sieht man, wie das Dorf wächst. Der Gottesdienst findet solange in der Festhalle statt, und weil die auch nicht ausreicht, sitzen 60 Leute draußen und hören über Lautsprecher zu. Drinnen und draußen ist jeder Platz besetzt. Der junge Pater Mario hat schon angefangen. Als wir eintreten, wird Peter über Mikrofon willkommen geheißen, Applaus. Pater Mario liest Briefe vor. Fast alle beginnen so: „Und hier noch ein Brief von … aus den Vereinigten Staaten“, etwa 20 Briefe. Man hat den Eindruck, das Dorf hat in den USA eine Außenstation.
Gringohäuser nennt Peter die Häuser, die mit dem Geld der in der Fremde lebenden Verwandten gebaut werden. Immer mehr sieht man hier davon. Schau dir diese nutzlosen Balkone an, sagte er gestern bei der Hinfahrt. Die lieben Verwandten in der Fremde werden in die Fürbitten eingeschlossen, sie haben es als illegale Arbeitskräfte nicht leicht, manche kommen dort gar nicht erst an. Mit den Gringohäusern verändert sich hier nicht nur die Landschaft, sondern vermutlich auch das soziale Gefälle etwas.
In Cabricán
Wir sitzen neben der Band, Schlagzeug, zwei oder drei Gitarreros, Sänger. Die Kirchenmusik ist so volkstümlich wie die Kleidung: Die Frauen tragen Huipiles und darüber die reichbestickten Tücher, Tzutes, entweder auf dem Kopf oder um die Schultern gelegt. Pater Mario, er hat in Rom studiert, predigt fröhlich und volksnah. Bei dem Weg, der dem kommenden Heiland bereitet werden soll, erwähnt er den schlechten Zustand der Straßen. Bis die repariert werden, kann es ewig dauern. Es sei denn, der Präsident der Vereinigten Staaten kommt …  Auf dem Gebäude gegenüber vom Festsaal sehe ich folgenden Schriftzug: „Centro de Formacion (Ausbildungszentrum) Padre Pedro Metenleiter“, das fehlende „t“ im Namen müssen sie irgendwann noch nachtragen.
Der Rückweg zum Haus dauert länger, ab und zu wird sein Name gerufen und wir müssen auf einen Schwatz anhalten. Der Bürgermeister, die Lehrer der Schule, er kennt sie alle. Es sind seine Kinder. Neben seinem Ruhesitz steht die Schule, seine Schule, erbaut mit Geld aus Deutschland. Darin eine Zahnarztpraxis. Beim Mittagessen erzählt er: Jedes Jahr wechseln die Zahnärzte, denn sie kommen nur für ihr Pflichtjahr nach Cabricán. Manchmal müssen sie ein Vierteljahr auf einen neuen Dentista warten. Dann kommen die Leute mit ihren geschwollenen Backen zu ihm.
Irgendwann hat er sich von einem Pflichtjahrzahnarzt zeigen lassen, wie man Zähne zieht, wie man die Betäubungsspritzen ansetzt (oben ins Zahnfleisch, unten direkt in den Kiefer). Was sollte ich machen, wenn die Leute mit Schmerzen vor meiner Tür standen? Also hinein in den weißen Kittel. Mittlerweile habe ich wahrscheinlich über 200 Zähne gezogen. Sein Pflichtjahr als Zahnarzt hat er lange hinter sich.
Padre Pedro ist über 80. Keine Spur von Erschöpfung. Er wird gebraucht. Fast täglich ist er mit einem seiner drei Autos (alles Spenden) unterwegs. Von einem Projekt zum andern. Weit weg in Ixcán wird für Bauern, die Land bekommen haben, ein Brunnen gebohrt. Oder in den Bergen um Cabricán muss die Wasserleitung, die das Dorf versorgt, repariert werden. Nicht dass er alles alleine machen will. Beteiligung ist das Zauberwort. Im Nachbardorf hat er vor Jahren eine Schule gebaut. Mit dem ganzen Dorf. Das Grundstück hat extreme Hanglage. Ein Fundament aus Natursteinen musste geschaffen werden. Im Gottesdienst rief er zur Mithilfe auf. Am nächsten Sonntag brachte jeder Kirchenbesucher einen großen Stein mit. So entstand die Schule.
Und doch, in gewisser Weise ist er unersetzlich. Es gibt einen Förderverein in Deutschland der ca. 800 Spender mobilisiert, die jährlich 100.000 € zusammensammeln. Dreimal dürfen Sie raten, wie der Verein heißt! Natürlich: „Padre Pedro Guatemala-Hilfe e.V.“ Der wirkliche Ruhestand muss wohl noch warten.

Freitag, 10. Februar 2012

Silvestergeschichten


(siehe voriger Post)

Die Nachricht
von Markus, unter Verwendung der Wörter Wunde, Finca, Zuspruch, schwitzen, flüstern, pflegen, Giftphiole, Schreibmaschine, Dr. Quinteros, Zeit 90 min

„Was ist so besonders an diesem Tag?“, fragte sich der Postbote, als er mit seinem Mofa gegen 10 Uhr morgens durch den stillen Vorort fuhr, die Tasche mit Briefen und ausländischen Zeitungen auf dem Gepäckträger. Der Himmel war verhangen, die Wolken lagen schwer über der Stadt und so dicht wie lange nicht. Ab und zu sah er ein Hausmädchen mit einem Wäschekorb über die Straße gehen oder einen Gärtner eine Hecke beschneiden.
Das Besondere an diesem Tag waren seine Briefe. Dieser Verdacht war seit seinem Dienstbeginn in ihm gewachsen wie eine kleine giftige Pflanze. Seinen ersten Brief hatte er in die weiße Hand einer jungen Señora gelegt (das Hausmädchen war nicht da), und er fing, als er auf das Trinkgeld wartete, zu schwitzen an. Die Señora kam lange nicht wieder. Als sie mit einer Münze zurückkam, wünschte er sich, nicht darauf gewartet zu haben.
Seinen besorgten Blick erwidernd flüsterte sie, dass alles in Ordnung sei. Was hätte sie auch sagen sollen zu dem Briefträger, den diese Nachricht, so schlecht sie auch sein mochte, nichts anging? Beunruhigt stieg er auf sein Mofa.
Den nächsten Brief in dem Villenvorort gab er dem Hausmädchen, das er schon kannte und das ihm mitteilte, dass der Señor auf der Finca sei. Sie schaute ihn dabei so ratlos an, dass er unwillkürlich fragen musste: „Ja, und? Sonst alles in Ordnung?“ „Naja“, sagte das Mädchen, „der Señor wollte eigentlich schon vorgestern zurückgekommen sein.“ Er suchte noch nach einem passenden Zuspruch. Sicher würde er ihr nicht sagen, dass er an diesem Tag ein komisches Gefühl habe. „Mach dir keine Sorgen!“, sagte er, stieg auf sein Mofa und merkte, dass er sich Sorgen machte.
Am dritten Haus hörte er leise das Klappern einer Schreibmaschine, das verstummte, als er geklingelt hatte. Er besah sich den Brief, nichts Außergewöhnliches war an ihm zu entdecken. Die Absenderin war eine Frau. Der Herr öffnete selbst, nahm mit ernstem Gesicht den Brief, reichte ihm einen Schein und verschwand. War es Neugier oder eine leichte Befürchtung, die den Briefträger noch etwas länger stehenbleiben ließ? War es Einbildung, dass er hinter der Tür einen leisen, unterdrückten Schrei zu hören glaubte?
Um 10.30 Uhr pflegte er eine kleine Pause zu machen in Julios Café. Julio selbst war nicht da, seine Angestellte war an diesem Tag sehr schweigsam. Als sie ihm den Kaffee brachte, sah er eine Wunde an ihrer rechten Hand, die ein Pflaster nur zum Teil verdeckte. Er hatte keine Lust, sie danach zu fragen, zu viele traurige Gedanken und Ahnungen beschäftigten ihn.
Sein vorerst letzter Brief – er hatte noch mehr in seiner Tasche, aber würde an diesem besonderen Tag keinen weiteren austragen – war an Dr. Quinteros adressiert. Der Brief war mit dem Hinweis „Vorsicht Glas!“ versehen; er enthielt einen dünnen, harten Gegenstand, wie ein Stift, aber fester.
Dr. Quinteros selbst öffnete die Tür und bat ihn herein, weil er selbst noch einen Brief hätte, der er gleich mitnehmen könne.
Im Haus roch es eigenartig. Er wusste, dass der Doktor mit Chemikalien experimentierte, er hatte schon vorher Päckchen mit „Vorsicht Glas!“ an ihn ausgeliefert. Ihm wurde schwindelig, er setzte sich auf eine Bank und schloss die Augen.
Er sah Dr. Quinteros vor ihm, wie er den kleinen Glasbehälter herausholte und hörte ihn sagen: „Nur Sie und ich wissen von dieser Giftphiole. Als er ihn die Phiole öffnen sah, hörte er sich schreien: „Nein, Doktor, das ist ein besonderer Tag, ein besonders furchtbarer Tag!“ Vor ihm tauchte der Mann mit der Schreibmaschine auf und hörte ihn sagen: „Ich schreibe jetzt ihr Testament auf“. Und er sah den Señor, der offenbar von seiner Finca zurückgekehrt war und hörte ihn sagen: „Warum haben Sie mein Hausmädchen nicht getröstet? Sie wissen doch, was für ein besonders furchtbarer Tag heute ist!“ Und dann kam auch noch die Señora herein, kam ihm ganz nah und er sah ihr vor Entsetzen verzerrtes Gesicht. „Helfen Sie mir“, stöhnte sie. Er wollte aufstehen und sie stützen, konnte aber nicht.
Als er aufwachte, sah er das freundlich-besorgte Gesicht des Doktors über sich. „Sie hatten einen kleinen Ohnmachtsanfall, trinken sie doch bitte diesen Tee, dann wird es Ihnen besser gehen. Mein Chauffeur bringt sie nach Hause, das Mofa holen Sie morgen ab.“
„Ja“, hörte er sich sagen, „das ist ein besonderer Tag. Ein besonders…“.
„Ein besonders schöner Tag“, unterbrach ihn der Doktor. „Ich habe gerade durch diesen Brief erfahren, dass meinem Sohn, der Chemiker ist, eine große Entdeckung gelungen ist. In dieser Phiole ist eine Lösung, die viele Menschen von ihrer Krankheit heilen kann. Und Sie haben mir diese Nachricht überbracht.“ 



Die Nachricht
von Katrin unter Verwendung der Wörter Wunde, Finca, Zuspruch, schwitzen, flüstern, pflegen, Giftphiole, Schreibmaschine, Dr. Quinteros, Zeit 90 min
San Andres Semetabaj, 25. April 1987
Dr. Sebastián Quinteros stieg an einem Aprilabend die Treppen in sein Haus hinauf. Er war 92 Jahre alt und er wohnte in einem großen, alten Haus auf dem höchsten Punkt einer Finca, wo alles wuchs, was es in der Gegend gab: Kaffee, Erdbeeren, Papaya und Bananen. Man konnte von hier oben über den gesamten Atitlán-See schauen, auf die Vulkane Tolimán, Atitlán und San Pedro und den kleinen Cerro de Oro. Auf seinem Rücken trug Sebastian eine riesige Bananenstaude. Im Esszimmer angelangt, ließ er sie  sehr langsam von seinem Rücken auf den großen Tisch gleiten. Für einen Moment zögerte er sich aufzurichten. Zwar war er froh, die Last losgeworden zu sein, doch es kam ihm vor, als würde etwas in ihm kaputt gehen, wenn er sich jetzt zu schnell bewegte.
Seine Vorsicht hatte auch etwas mit Juanita zu tun, seiner Hausangestellten, die schon lange nicht mehr fröhlich zu lachen pflegte, wenn sie ihn so hereinkommen sah. Eine kurze Zeit lang hatte sie ihn ausgeschimpft. Doch seit er in der letzten Regenzeit einmal verwundet humpelnd, schwitzend und verdreckt seine Bananen hereingetragen hatte, hörte sie auch damit auf. Sie schaute jetzt einfach weg oder verließ das Zimmer, wobei sie die Tür nie leise schloss. Ja, er vermutete sogar, dass sie absichtlich seine Bananen liegen und verderben ließ. Sebastián war ja nicht dumm. Er war sogar Arzt. In seinem Kopf befand sich eine Landkarte des menschlichen Körpers, in die er alle Fälle seines langen Arbeitslebens eingetragen hatte. Aber ach, trotzdem konnte er keine reife Staude hängen lassen, wenn er an ihr vorbeiritt. Sollte die Alte doch damit tun, was sie wollte. Bald würde Jacobo aus der Stadt kommen und wenn er vom Weg nichts mitbrächte, würde sie zum Abendessen doch seine Bananen nehmen.

Er fühlte sich jetzt wieder freier sich zu bewegen. Er schüttelte Arme und Beine. Keine Schmerzen. Sein Blick streifte das Porträt von Maria. Er suchte er es in letzter Zeit öfter. Als könnte es ihm sagen, warum sie nicht schrieb. Maria zwischen Bananenstauden. Seit 60 Jahren stand es dort. Er nahm es in die Hand und setzte sich an den Tisch. Er war damals noch ein junger Arzt, das muss 1926 gewesen sein. Eines Morgens war er in den Bergen unterwegs gewesen und hatte etwas Kleines, Gebücktes um einen Baum laufen sehen. Als er näher gekommen war, hatte sich das Wesen auf plötzlich aufgerichtet, ihm in die Augen geblickt und gefragt: „Ist es ein Geschwür, eine verholzte Blüte oder haben das Menschen gemacht?“ Eine Frau, um die dreißig Jahre wohl, ihre Haare waren blond, ihre Augen hell, und ihre Aussprache war ungewöhnlich. Mit einem Hieb der Machete schlug er auf den Baum und gab ihr den kleinen Ast in Form einer Blüte. „Niemand weiß, wie das entsteht. Finden Sie es heraus.“, sagte er. Sie setzten sich und Maria erzählte ihm, dass sie vor einige Jahren nach Guatemala gekommen war, um auf einer Finca am Pazifik die Kinder einer deutschen Familie zu unterrichten. Ein Jahr später besuchte sie die Freundin am Atitlán-See im Jahr noch einmal, als er das Foto mit den Bananen von ihr machte. Ein paar Wochen später hörte er, sie hätte Malaria bekommen und wäre nach Deutschland zurückgeschickt worden. Er war traurig, denn er befürchtete, nie mehr etwas von der kleinen, hellen Frau zu erfahren. 

Dann erhielt er eines Tages einen Brief aus Dresden, von Maria und dem Artikel aus einer Zeitschrift, in dem sie das Geheimnis der Holzblüte beschrieb. Bald darauf schickte sie ihm jeden Monat einen Brief. Und jedes Jahr einen Weihnachtsstollen. 60 Stollen. Den letzten hatten sie gerade aufgegessen, aber im neuen Jahr war noch kein Brief angekommen. Sebastián drehte sich zum Fenster um zu schauen, ob sich Jacobo näherte, der Enkel der Haushälterin, den er heute Morgen nach Panajachel hinunter geschickt hatte. Doch er fühlte sich auf einmal zu müde um aufzustehen. 

Jacobo hatte währenddessen den Anstieg von Panajachel  zur Finca hinter sich gelassen und schaute sich ebenfalls nach einer reifen Bananenstaude um. Er hatte es nicht eilig nach Hause zu kommen. Stattdessen wünschte er, einen klaren Gedanken fassen zu können. Er hatte einen Brief aus Dresden für Sebastián dabei. Von den hunderten von Briefen – wie viele hatte er, Jacobo, für den Doktor abgeholt? Die letzten 200 gewiss. Immer derselbe Luftpostumschlag, meist eine Blumenbriefmarke, alle in Marias runder, enger Handschrift beschrieben. Der Brief wurde einmal laut gelesen und danach in die große Truhe in der Sala gelegt. Er war noch ein Kind, als er anfing auf sie zu warten, Woche für Woche. Manchmal war er nachts aufgestanden und heimlich in die Sala gegangen, um den neuen Brief zu öffnen, das Papier zu spüren, seinen Geruch zu atmen oder mit dem Finger im Mondlicht die Spuren der Tinte auf dem Papier nachzufahren.

Dass mit diesem Brief, auf den sie jetzt schon so lange warteten, etwas nicht stimmte, hatte er schon am Gesicht der Angestellten abgelesen, als er die Tür zur Post öffnete. Manchmal waren Dinge so deutlich. Sie legte ihn vor ihm auf den Tresen und beide sahen: Luftpostumschlag, Blumenbriefmarke, Dresdner Poststempel. Maschinenschrift. Für einen Moment, eine winzige Sekunde, dachte er, Maria hätte sich vielleicht die rechte Hand verstaucht und mit der linken auf der Schreibmaschine geschrieben. Und dann blickte er noch einmal hinauf und sah: Der Strich auf dem á von Sebastián fehlte. Er wollte den Brief umdrehen, doch die Postfrau sagte nur: „Kein Absender.“  Und: „Es musste doch mal passieren, Jacobo, sie war doch noch älter als Dr. Quinteros!“ Und nach einer Pause: „Braucht er Zuspruch? Soll vielleicht einer mit hochkommen?“
„Ach, was denken Sie denn immer gleich…!“ es sollte empört klingen aber es kam nur ein Flüstern heraus. Da sparte Jacobo sich den Rest. „Hasta luego, mi hijo.“, rief sie ihm hinterher.

Das ganze Dorf schien ihm nachzublicken, als er von Panajachel den Bergweg einschlug. Er fühlte sich elend. Der Doktor hatte ihm mal erzählt, dass vor langer, langer Zeit der Bote schlechter Nachrichten aus einer Giftphiole trinken musste. Er seufzte. Auf einmal schien ihm das kein schlechter Gedanke zu sein. Bald stand er vor dem Haus. Er wollte sich am Fenster vorbeischleichen, er durfte den Doktor nicht treffen sondern musste zuerst mit seiner Großmutter Juanita sprechen. Doch da spürte er schon einen Blick auf sich. Sebastián saß am Fenster und schaute ihn an, er schaute ihm direkt in die Augen. Jacobo blieb stehen und öffnete die Tasche.
Er hatte viel erledigt im Ort, die Tasche war voller Bestellzettel, Rechnungen, Zeitungen. Gleich würde Dr. Quinteros ungeduldig gegen das Fenster trommeln. Da unten, die blauroten Linien der Luftpost, gerade noch rechtzeitig sah er sie am Taschenboden. Er wusste noch nicht, mit welcher Geste er den Brief hochhalten sollte, den Brief aus Dresden, der nicht von einer alten Frau kommen konnte, wären auch noch so viele Blumenbriefmarken darauf.

Doch Sebastián trommelte nicht. Er schaute ihn auch nicht an, denn sein Blick war starr und ohne Leben. Er hörte Juanita auf der Treppe weinen. Irgendjemand unten in Panajachel läutete die Glocken.


Nachtrag: Maria ist von einer realen Person inspiriert. Die 600 Briefe aber sind leider nur ausgedacht, wie auch Dr. Quinteros.

Seltsam sanftes Silvester

Irgendwann hatte das letzte Pärchen, die letzte Familie sich von uns verabschiedet. Nach Deutschland, nach Belize, an die Pazifikküste, oder wenigstens nach Antigua. Niemand schien zu Silvester in Guatemala-Stadt zu sein. Da wollten auch wir weg, wenigstens ans Meer, wenigstens nach Antigua. Aber die Hotels waren vollgefüllt mit Haupstädtern, zu spät.
Am Nachmittag kauften wir eine Packung mit 24 Vulkanen, stellten den Kamin auf die große Terrasse im oberen Stockwerk, aßen, spielten und ließen hin und wieder einen Vulkan explodieren.
Kleine Vulkane, großer Ausbruch

Als die Kinder müde wurden und im Bett lagen, taten wir das, was wir am liebsten tun, wenn es toll sein soll und gleichzeitig einfach. Zum Schreien aufregend und gleichzeitig leiser als das Flackern einer Kaminflamme: Wir schrieben eine Geschichte. Das Verfahren ist seit zwanzig Jahren das gleiche: Wir nehmen uns irgendein Buch und suchen zufällige Wörter, bis wir zehn Wörter beisammen haben. Das elfte Wort wird der Titel der Geschichte. 90 Minuten insgesamt zum Nachdenken und Schreiben.
Unsere Silvestergeschichte würde "Die Nachricht" heißen und die Wörter: "Wunde, Finca, Zuspruch, schwitzen, flüstern, pflegen, Giftphiole, Schreibmaschine, Dr. Quinteros" müssten darin vorkommen.
Wir schrieben bis Mitternacht, ließen eine Himmelslaterne steigen, genossen die Raketen der Zuhausegebliebenen und schrieben noch etwas weiter. Um eins lasen wir unsere Geschichten vor.

Habt Ihr Lust, sie zu lesen? Vielleicht habt Ihr aber auch Lust, selber eine zu schreiben?