Dienstag, 5. Juli 2011

Fahre niemals mit dem eigenen Auto nach Semuc Champey!

„Unser Auto hat keinen Vierradantrieb“, sagte ich zu dem Mann, der wie ein Inder aussah und auf der Veranda seines kleinen Hotels am Rio Cahabon saß. Fernöstlich war auch die Musik, die wir hörten. Der Mann strahlte eine Ruhe aus, die wir in diesem Moment nötig hatten und sagte: „Schaut, mein Auto dort hat auch keinen Vierradantrieb, und ich lebe schon lange hier.“ Das klang gar nicht vorwurfsvoll. „In zwei Stunden ist der Weg trocken und ihr könnt nach oben fahren.“ Sorgenvoll schauten wir zum Himmel. Am Morgen hatte es geregnet, jetzt war es halb bewölkt, ab und zu kam die Sonne heraus und trocknete die Straße, die in einer teilweise wahnsinnigen Steigung aus dem Tal herausführte. Zwanzig Minuten zuvor war unser Auto beim ersten Versuch jämmerlich den feuchten Betonweg rückwärts hinabgerutscht.

Wir aßen unser Mittagessen und fragten uns, jeder im Stillen, ob uns der Besuch von Semuc Champey wert gewesen ist, hier vielleicht noch einen oder zwei Tage festzusitzen? Ja, das war es. Semuc Champey, dort „wo das Wasser verschwindet“ in der Sprache derer, die es entdeckt hatten, bescherte uns das schönste Badeerlebnis, das wir je in der Natur hatten.

Wir waren am frühen Morgen dort, noch bevor die meisten NGO-Mitarbeiter und Weltenbummler, die sonst das Hotel am Eingang des Bades bewohnten, aufgestanden waren. Im Regen liefen wir auf befestigtem Weg zu den Becken; tief unter uns, hinter Bäumen und Felsen, musste der Rio Cahabon durch das Tal rauschen.

Als wir ankamen, hatte der Regen aufgehört und die Sonne schien auf die runden Kalksteinbecken und die kleinen Wasserfälle. Auf dem Wasser schwammen rote Blüten. Wir sprangen sofort hinein, stiegen und rutschten von Becken zu Becken, kletterten hinter die Wasserfälle in kleine vom Wasser geformte Höhlen, lachten und jubelten, als wären wir im eigenen Badezimmer. Wir waren noch die einzigen an diesem Ort und fühlten uns wie die ersten Menschen.

Semuc Champey ist eine natürliche, aus Kalkstein bestehende Brücke hoch über dem Rio Carabon. Das Wasser, das dort kaskadenhaft von Becken zu Becken fließt, kommt aus einem Nebenfluss. Irgendwo ganz weit vorn, hinter den letzten Becken, ergießt sich das Wasser in einem gewaltigen Wasserfall in den Hauptfluss. Wehe dem, der dort zu weit über den Beckenrand klettert, er wäre verloren.

Am Rande der Becken sahen wir nun doch Menschen: Arbeiter fischten Blätter aus dem Wasser. Die Sonne lachte, wir gingen zurück. Am Ausgang begegnete uns nach langer Zeit unser erstes Hinweisschild. Wir jubelten. Guatemala ist reich an Naturschönheiten, aber arm an Schildern. Um bis hierher zu finden, hatten wir viele Menschen nach dem Weg fragen müssen. Nun sahen wir: „Coban 67 km“. Zum Mittagessen sind wir dort, dachten wir. Bis der steile Teil des nassen Weges kam, an dem unsere Fahrt zunächst scheiterte.

„Wenn es jetzt noch mal regnet und wir hier festsitzen, dann bleiben wir eben noch zwei Tage.“ Der Gedanke erschreckte uns nicht. Aber es regnete nicht und der „Inder“ fuhr uns selbst in unserem Auto den steilen Weg nach oben. Geschafft. Später suchten wir noch einmal im Reiseführer nach Gefahrenhinweisen und fanden die Warnung, niemals mit dem eigenen Auto nach Semuc Champey hinunterzufahren. Man sollte doch genauer den Reiseführer lesen, wenn man Touren auf eigene Faust unternimmt.