Mittwoch, 6. Juli 2011

Die Schatzinsel

„Am Fuße einer ziemlich hohen Föhre lag unter ein paar Kleiderfetzen ein menschliches Skelett, umrankt von einer grünen Schlingpflanze. Ich glaube, für einen Augenblick rührte ein kaltes Grauen an jedes Herz.“
Wir fahren die honduranische Karibikküste entlang und hören Robert Louis Stevensons „Schatzinsel“. Laurenz‘ und Ophelias Augen werden immer größer. Auch wir werden morgen früh in La Ceiba auf ein Boot steigen und über das offene Meer nach Roatán fahren. Das ist eine berühmte alte Pirateninsel, deren Hauptstadt den merkwürdigen Namen Coxen Hole trägt.

24 Stunden später erholen wir uns von der unfreundlichen Überfahrt in der Hängematte vor unserer palmengedeckten Strandhütte. Doch noch bevor es ganz dunkel wird, liegen wir im weichen, hellblauen Karibikwasser. Auch die Luft ist blau. Die Lichter der Strandbars leuchten orange. Auch die der „Durstigen Schildkröte“, die zum Bananarama gehört. Die Leute hier sind meist dunkelhäutig und wechseln ständig vom Spanischen ins Englische und zurück. Sie machen tolle Cocktails, die viel leckerer sind, als die All-Inclusive-Mai-Tais vom Decamerone. Am nächsten Morgen, noch bevor die Taucher sich auf den Weg machen, packen wir unsere Schnorchelsachen und gehen den Strand entlang zu den Felsen. Als ich im flachen Wasser versuche, das Schnorchelrohr unter den Taucherbrillengummi zu schieben, kommt Ophelia schreiend zu mir gelaufen. „Ich weiß nicht, ob die Menschen fressen!“ ruft sie atemlos. Tatsächlich, um uns herum schwimmen viele kleine zebragemusterte Fische, so ähnlich wie die auf dem Foto. Sie verlieren ihr Interesse an uns und schwimmen zu Laurenz… Nur ein paar Schritte weiter breitet sich vor uns die ganze Pracht des mittelamerikanischen Riffs (mesoamerican reef) aus. Ein Überfluss an Korallen, blauen, roten und goldenen Fischen. Falterfische, die ein riesiges Auge haben, mit dem sie jeden Eindringling böse anschauen. (Bei näherer Betrachtung ist es allerdings nur ihr Schwanzflossen-Schmuck. Das eigentliche Auge ist viel kleiner.)

Was für ein Erlebnis! Selbst Ophelia taucht stundenlang mit ihrer kleinen Schwimmbrille. Laurenz baut Burgen zwischen Strand und Wasser. Vier Tage lang trocknen unsere Badeanzüge nicht. Wir essen wenig und werden auch im Wasser von der Sonne schokoladenbraun. Die Mittagshitze verbringen wir in unseren Betten. Abends laufen wir den Strand entlang zum nächsten Ort. Dann ist unser erster langer Urlaub zu ende. Am nächsten Morgen verlassen wir unsere Schatzinsel und fahren mit dem Schiff nach La Ceiba zurück. Noch eine Tagesreise bis zur alten Mayaruinen-Stadt Copán, 12 km vor der guatemaltekischen Grenze. Von dort noch 4 Stunden nach Hause.